In der Regel öffnen sich am 13. Lebenstag Lidspalten und äüssere Gehörgänge, doch ändert sich damit für den Welpen zunächst noch nichts. Die Sehfähigkeit der Augen entwickelt sich erst um den 17. oder 18. Lebenstag, ist noch da recht unvollkommen und übt sich erst in den Folgetagen richtig ein. Ebenso ist es mit dem Gehör und auch die Nase scheint erst jetzt so richtig zu erwachen. Jedenfalls kann man um den 18. Tag herum beobachten, wie die Welpen nun alles mit der Nase zu untersuchen beginnen, vor allem die Geschwister, mit denen so erste Kontakte aufgenommen werden. Das erste gegenseitige Belecken kann man um den 17. Lebenstag beobachten, auch wird jetzt oft versucht, Ohren, Nase oder Pfoten der Geschwister ins Maul zu nehmen.
So verdient dieser Lebensabschnitt zu Recht seinen Namen. Es ist ein verhältnismässig schneller Übergang vom reinen, völlig selbstbezogenen Saug- und Schlafstadium zum aktiven Entdecken der engeren Umwelt und zur ersten Kontaktaufnahme mit den Geschwistern, der erste Keim zu dem so vielschichtigen Sozialverhalten des erwachsenen Hundes.
Soziale Verhaltensweisen sind noch nicht entwickelt. Nur der Ausdruck freudiger Erregung in Form eines noch ungeschickten Wedelns mit dem kurzen Schwänzchens wird der Mutter dargebracht, wenn sie nach kurzer Abwesenheit ins Lager zurückkommt. Dann heben sich auch die Köpfe der Mutter entgegen, die Welpen versuchen ihr Maul zu erreichen.
Das ist ein bedeutsames Verhalten. Um den 18. Lebenstag beginnt die Mutter mit der Zufütterung, an der sich gewöhnlich auch der Rüde beteiligt. Sie würgt den Welpen einen Brei halbverdauter
Nahrung vor. Das ist die erste grosse Lernleistung der Welpen, denn schon nach dem ersten Mal der Zufütterung hat der Welpe gelernt, dass es auch aus dem Maul der Eltern köstliche Nahrung gibt.
So wird von nun an dem Maul der Mutter oder des Vaters grösste Aufmerksamkeit geschenkt, und die Welpen entdecken, dass man die eigene Nase besonders gut an den Mundwinkeln der Alten einbohren
kann und dass diese dann oft das Maul weit öffnen und, wenn vorhanden, den bewehrten Futterbrei von sich geben.
Diese erste wichtige Erfahrung prägt bei den kleinen Welpen Verhaltensmuster für das ganze Leben aus. Das Anbetteln der zum Lager zurückkehrenden Alttiere wird zu einem Begrüssungs- und
Zuneigungsritual sowohl im innerartlichen Verband, als auch dem Menschen gegnüber.
Nun ist es aber so, dass unsere heutigen Hündinnen kein Futter mehr vorwürgen. Trotzdem Entwickeln die Welpen diese Verhaltensweise genauso.
Angeborenes Können, also Erbkoordinationen aller Art sind nun einmal von Erfahrung unabhängig, aber sie müssen nicht von geburt an da sein, wenn sie noch nicht gebraucht werden. So treten solche
Erkoordinationrn dann auf, wenn ihnen ein entsprechender Schlüsselreiz- in unserem Fall das Futterwürgen- geboten wird. So entsteht der Eindrück, als würde es sich um ein Lernvorgang handeln.
Damit ist aber keineswegs ausgesagt, dass nicht gleichzeitig auch tatsächlich ein Lernvorgang dazukommt. Man muss in dieser Hinsicht beim Hund etwas vorsichtig sein. Er ist sehr auf Lernen und
das Sammeln von Erfahrungen zugeschnitten und je mehr ein Organismus das ist, um so weniger tritt das angeborene Können in den Vordergrund. Während bei tieferstehenden Tieren, etwa bei Fischen,
das angeborene Können für die Erhaltung der Art dominiert und so im Vordergrund steht, dass deren zusätzlichen Lernleistungen nur so ganz nebenher Lücken des Netzwerkes der Erbkoordinationen
ausfüllen, sichert das Überleben der weitgehend auf Lernen zugeschnittenen Hunde vordergründig der Schatz an Erfahrungen, und im untergeordnetem Masse sorgen die angeborenen Verhaltensmuster für
eine zusätzliche Lebenssicherung, ganz speziell aber auch dafür , dass überhaupt ausreichende Lernleistungen vollbracht werden. So ist der Hund sogar befähigt, in gewissen Fällen einsichtsvoll
sein erworbenes Können über bestimmte Triebe zu stellen, diese also zu unterdrücken.
Bis einschliesslich des 20. Tages sind die Welpen immer noch an das Lager gebunden und fühlen sich in ihm so sicher und geborgen, dass sie keinerlei Angsreaktionen kennen. Greifen wir mit der
Hand in den Welpenknäuel, so wird sofort die neu erworbene Fähigkeit des Erkundens eingesetzt: sie schnuppern lecken, nehmen einzelne Finger ins Maul. Das Lager ist für sie die Welt, und alles
was da hineinkommt, gehört einfach in diese Welt.
Das ändert sich spontan am 21. Tag. Da erwacht plötzlich in ihnen der Trieb, der Mutter zu folgen, und sie verlassen erstmals das Lager.
Was nun geschieht kann amn nur in intakten Hundefamilien beobachten. Während die Hündin sich um die nachfolgenden Welpen überhaupt nicht kümmert, gerät der Rüde förmlich aus dem Häuschen.Er springt unter allen Azeichen höchster Freude umher und versucht, mit den Welpen zu spielen. Das geschieht nicht gerade rücksichtsvoll. Er stupst sie mit der Nase umher, wirft die noch recht unbeholfen laufenden kinder mit den Pfoten um oder packt sie gar mit den Zähnen und wirft sie Meterweit durch die Gegend. Wenn man das zum erstenmal sieht, hat man den Eindruck, der setze alles daran, die Welpen umzubringen.
Aber die Welpen wissen sich zu helfen. Sie werfen sich laut schreiend auf den Rücken, und in diesem Augenblick wendet sich der Rüde ab. Das ist die Sozialsperre, die bei normalen Hunden als
Agressionshemmer zuverlässig wirkt. Der Rüde hat sich nun also von dem auf dem Rücken ligenden und schreienden Welpen abgewendet, um sich auf einen anderen zu stürzen. Der aber läuft so schnell,
als das ihn seine kurzen ungeübten Beinchentragen können, dem vertrauten Lager zu und verschwindet darin. Bald haben sich alle Welpen hier versammelt und sind um eine grosse Erfahrung reicher;
ausserhalb des Lagers gibts sehr unangenehme Erlebnisse, innerhalb des Lagers ist Geborgenheit. Der Rüde verfolgt die Welpen nicht bis ins Lager. Seine überschäumende Spielfreudigkeit ist sofort
zu Ende. Das legt uns nahe, dass es sich um eine Erziehungsmassnahme handelt.
Hier haben die Welpen zunächst einmal die ungeheuer grosse Überlegenheit des Vater-Rüden in ganz einschneidender, vielleicht sogar schockartiger Weise erfahren. Ausserdem sehen die Welpen dass
Lager von diesem Zeitpunkt an, nicht mehr als abgeschnittene Welt an. Steckt man erstmals seine Hand in ein Lger von Welpen, die über 21 Tage alt sind, wird man erleben, dass sie sich ängstlich
zurückziehen und sogar drohend knurren- ihre blinde Vertrauensseeligkeit der Frühkindheit ist Misstrauen vor dem Unbekannten gewichen.
zitiert von Eberhard Trumler aus seinem Buch:“Hunde ernst genommen”, Piper Verlag,1998, 9.Auflage