Der Beginn dieser Phase läßt sich nur schwer bestimmen, da hier sehr unterschiedliche Verhältnisse bei den einzelnen Hunden vorliegen. Ganz allgemein kann man wohl den siebenten Lebensmonat als jenen bezeichnen, der für unsere Haushunde als der früheste Termin in Frage kommt. Wie bei meinen Dingos kann bei vielen Hündinnen bereits jetzt die erste Läufigkeit auftreten. Ist sie voll ausgeprägt und zeigt sich die Hündin bereit, einen Rüden anzunehmen, dann endet die Pubertätsphase auch in diesem Monat. Meine so frühreifen Dingohündinnen sind schon in einigen Fällen in diesem Alter gedeckt worden und brachten dann mit neun Monaten unbeschadet gesunde Welpen zur Welt, die sie auch ganz normal aufzogen. Auch die Dingorüden sind in diesem Alter bereits zeugungsfähig. Die meisten Haushund - Rüden hingegen zeigen ihr Erwachsensein durch das bekannte Beinheben beim Urinieren erst mit neun Monaten, wenn nicht noch später, an.
Wölfinnen zeigen im zweiten Lebenssommer, also etwa im Alter von 13 oder 14 Monaten, eine Art von Scheinbrunst, die offenbar dazu dient, einen Partner zu finden. Die Wölfin wählt einen Rüden und bindet ihn durch intensives Spielverhalten, wie es ja auch im Vorstadium der eigentlichen Läufigkeit auftritt, fest an sich. Dabei vertreibt sie jede Rivalin, beißt sie unter Umständen sogar tot. Die Unverträglichkeit läufiger Hündinnen ist ja auch eine sehr übliche Erscheinung. In meinen Familienzwingern ist derartiges der einzige Anlaß, bei dem das sonst so friedliche Zusammenleben gestört werden kann. Jedenfalls ist es also die Hündin, die sich den Partner aussucht und ihn eifersüchtig verteidigt.
Trotz der gefestigten Partnerbindung - die man als »Verbindung« bezeichnen könnte - dürften Rüde und Wölfin im Herbst wieder zu ihren Stammrudeln zurückkehren und sich erst im Januar wieder, aber nun auf Dauer, zusammentun. Nun ist die Jungwölfin etwa 20 Monate alt und wird erstmals richtig läufig. Februar und März sind die üblichen Deckzeiten, und wenn die Wölfin zwei Jahre alt geworden ist, bringt sie auch erstmals Junge zur Welt. Es wäre also zu empfehlen, spätreife und wolfsstämmige Hündinnen nicht vor dem 20. Monat dekken zu lassen. Sonst gilt allgemein die Regel, daß man Hündinnen, bei denen die erste Läufigkeit im siebten oder achten Lebensmonat auftritt, bei der nächsten, also sechs Monate später, erstmals decken lassen kann.
Auch Schakale scheinen erst mit zwei Jahren fortpflanzungsfähig zu werden, zumindest die Rüden. Meine beiden Goldschakale Ah und Ben - die sich als nordafrikanische Grauschakale (eine kurzohrige Unterart des Goldschakals) entpuppten -, interessierten sich zwar bereits im ersten Lebensjahr für die Läufigkeit ihrer Hündinnen, wußten aber damit noch gar nichts anzufangen. Sie brauchten sogar drei Jahre, um ihre Deckfähigkeit unter Beweis zu stellen. Weibliche Schakale scheinen weit früher fortpflanzungsfähig zu sein, wahrscheinlich schon gegen Ende des ersten Lebensjahres. Vielleicht ist die späte Reife der Rüden hier ein Regulativ, um Geschwisterehen zu vermeiden.
Wölfe pflanzen sich nur einmal im Jahr, nämlich im Frühjahr, fort. Auch meine Dingos bekommen nur einmal im Jahr Junge, und zwar gewöhnlich im Herbst, meist in der Zeit zwischen Ende September bis Anfang Dezember. Das entspricht dem australischen Frühjahr. Die in südlichen Breiten lebenden Schakale sind damit etwas früher dran als Wölfe, nämlich im Januar.
Nun haben aber die Beobachtungen des Forscherehepaares Hugo und Jane van Lawick-Goodall erwiesen, daß zumindest die Goldschakale der äquatornahen Gebiete Ostafrikas ein halbes Jahr später abermals Junge bekommen können, auch wenn der erste Wurf erfolgreich aufgezogen wurde. Das heißt, daß die zweite Läufigkeit unserer Hündinnen nicht eine »unbiologische«, im Haustierstande erworbene Erscheinung ist, wie schon ernsthafte Kynologen behauptet haben. Meine Dingos, die man gewiß nicht als überzüchtete Haushunde ansprechen kann, sind schließlich auch zweimal im Jahr läufig, wenn sie dabei auch eine Art von Geburtenregelung kennen. Der Rüde deckt seine Hündin ungeniert bei dieser Zweithitze - aber die Dingohündin bekommt danach keine Welpen. Ich habe mehrfach auch schon bei Dingos und Dingomischlingen beobachtet, daß es sogar zu einer Scheinträchtigkeit kommen kann, die alle üblichen Anzeichen einer echten Trächtigkeit aufweist. Erst an dem Tag, an dem die Geburt erfolgen sollte - in diesem Falle am 6o. Tag -, geht das alles in sehr kurzer Zeit zurück. Ich halte es für möglich, daß eine derartige Scheinträchtigkeit biologisch gesehen werden kann; sie läßt die physiologischen Vorgänge, die durch die möglicherweise sogar mit einer Konzeption verbundene Bedeckung ausgelöst wurden, ablaufen, wobei wahrscheinlich die Keime im Mutterleib wieder aufgelöst werden. Der Geburtsakt scheint dann für diesen Vorgang nicht notwendig zu sein, sein Ausbleiben bringt ebensowenig eine Störung mit sich wie der Umstand, daß es keine Welpen gibt, die saugen. Die Milchdrüsen bilden sich nämlich sehr schnell wieder zurück. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn man einer Dingohündin alle Welpen sofort nach der Geburt wegnimmt.
Es ist also nicht unbedingt verwerflich, wenn eine sonst sehr gesunde und kräftige Hündin zweimal im Jahr Welpen hat, wenn man das auch wohl nur einmal durchgehen lassen kann und nicht Jahr für Jahr praktiziert. Es passiert schon einmal, daß trotz allen Aufpassens die Hündin bei der zweiten Läufigkeit entwischt und sich dem nächstbesten Rüden hingibt. Da dieser natürlich meist nicht dem Geschmack des unfreiwilligen Züchters entspricht, gibt es dann große Aufregung.
Hierzu ein ernstes Wort. All meiner Erfahrung nach, die ich nicht allein auf meine Hunde zu beschränken brauche, sondern zu der sich sehr viele Beispiele gesellen, die mir mitgeteilt worden sind, ist es viel besser, die Hündin den vom Züchter ungewollten Wurf austragen als ihr vom Tierarzt eine Spritze geben zu lassen.
Die Tragzeit schadet der Hündin mit Sicherheit nicht; für die Spritzen möchte ich nicht meine Hand ins Feuer legen. Den unerwünschten Welpensegen aber nimmt man der Hündin weg, ehe die Kleinen zum Saugen gekommen sind, und überliefert ihn dem Tierarzt, der ihn schmerzlos tötet. Am nächsten Tag wird die Hündin frisch und munter sein und nichts vermissen. Welpen, die nicht saugen, sind sofort vergessen.
Freilich wird mancher Rassehundhalter da Bedenken haben. Man müßte nämlich endlich einmal die Zuchtverbände davon überzeugen können, daß wir im zwanzigsten Jahrhundert leben und daß die biologische Forschung schon so weit vorangekommen ist, daß man mit absoluter Sicherheit sagen kann: Eine Rassehündin ist nicht »verdorben« und »zuchtuntauglich«, wenn sie einmal von einem rassefremden Rüden Welpen ausgetragen hat. Auf den Mond können wir fliegen, aber anderswo scheint noch finsteres Mittelalter zu herrschen.
Damit haben wir die Pubertätsphase ein wenig überschritten, aber es gibt ohnehin nicht viel zu diesem Lebensabschnitt - der, wie wir gesehen haben, oft nur einen Monat währt - zu sagen. Grundsätzlich reift der Hund, bei dem sie länger währt, entsprechend aus, und ganz allgemein kann man sagen, daß der Hund bei Eintritt der Geschlechtsreife erwachsen ist. Aus dem Welpen ist ein Hund geworden. Ergänzend möchte ich noch erwähnen, daß am Ende des zweiten Lebensjahres vor allem der Rüde eine endgültige Ausreifung erfährt, die ihn nun gesetzter, fast würdevoller als bislang macht. Es wäre das ja auch - beim Wolfsahnen - das Alter, in dem er selbst Welpen betreut und zum Rudelführer emporsteigt. Bei Hündinnen bemerkt man dieses Ausreifen vor allem dann, wenn sie ihren ersten Wurf aufgezogen haben.
Nach dem zweiten Lebensjahr also ist der Hund endgültig zur voll ausgereiften Persönlichkeit geworden. Ich hoffe, daß es mir in diesem Überblick gelungen ist, aufzuzeigen, was da alles dazugehört, wie viele Einzelfaktoren einwirken, ehe es soweit ist. Dabei muß ich nochmals betonen, daß alles das, was ich hierzu sagen konnte, ganz sicher nur ein Bruchteil dessen ist, was hier noch alles anzuführen wäre - wenn ich es wüßte. Mir selbst erscheint das alles mehr als fragmentarisch, ich sehe viel mehr Lücken als Wissen. Ich glaube fest daran, daß hier noch ein weites Feld offen steht, das beackert werden kann. Es müßten von tüchtigen Beobachtern noch einige hundert intakte Familien von Wölfen, Schakalen, Kojoten und Dingos studiert werden, ehe wir wirklich in allen Einzelheiten Bescheid über die Verhältnisse der Jugendentwicklung des Hundes wissen. Dazu gehörten auch noch zahlreiche Experimente aller Art, um herauszubekommen, was die einzelnen beobachteten Fakten für die Zukunft des Hundes bedeuten, wie sie sich auswirken und vor allem, was wir aus ihnen für unseren Umgang mit dem Hund lernen können. Das müßte man tun, wenn man den Hund -ernst nimmt.